Ja, ich habe ein Problem. Vielleicht sogar nicht nur eins. Kann ich dennoch behaupten, dass mein Leben eine totale Enttäuschung ist? Nein. Aber lässt es mich morgens mit einem Strahlen aus dem Bett springen, voller Dankbarkeit in den Tag zu starten und dieser Welt da draußen auf ein neues und immer wieder gerne zu dienen?
Wollen würde ich es schon, vielleicht in Wirklichkeit mehr als mir lieb ist, aber da ist dieses schwere Band zwischen mir und diesem Leben, dass mich fesselt, einnimmt, mich gefangen hält in einem Raum zwischen gut und böse, hell und dunkel, arm oder reich. Es zerrt so sehr an mir, dass es mir ein Vorwärtskommen unmöglich macht, zu wachsen, mich so zu entfalten, wie es mir gut tun würde und ich fühle mich absolut machtlos, mich von dieser vernichtenden Verbindung zu lösen. Was mir nicht gut tut, soll weg. Es soll gefälligst Platz schaffen für das, was mein wahres Ich zum Leuchten bringt, mich und mein ganzes Wesen mit Liebe erfüllt.
Doch dieses Band meint es ernst. Sehr ernst. Es sieht absolut keine Notwendigkeit darin, mir diesen Freiraum zu ermöglichen. Wozu auch, wenn es doch dafür sorgt, dass ich zu jeder Tages- und Nachtzeit genau hier, und nicht in meinen überschätzen Träumen, sicher bin. Es bemüht sich sehr, jeden Tag überzeugend auf mich einzuwirken, mich so zu beeinflussen, dass die Verbindung zwischen uns nicht zu sehr auf Spannung steht. Am liebsten ist ihm gar nicht. Stehle ich mich heimlich aus unserem gemeinsamen Raum heraus, um mal neugierig und abenteuerlustig zu schauen, was es noch in dieser Welt so zu erleben gäbe, reißt es mich mit voller Wucht zurück an meinen alten Platz und schreit mich an, endlich Ruhe zu geben, endlich anzunehmen, was ist. Wenn ich dann weine, weil ich mich leer und unvollkommen fühle, brüllt es mich an, ich solle mich endlich benehmen, wie eine Erwachsene und den Tatsachen ins Auge blicken. Woher ich nur den Großmut nehmen würde zu glauben, mir stünde mit meinen paar Fähigkeiten und Kompetenzen die ganze Welt offen. Dass natürlich die ganze Welt nur darauf wartet, dass ich mich endlich ihrer annehme, als hätte diese nichts besseres zu tun, als auf mich zu warten. Auf jemanden wie mich, der nur ein bisschen hier von, ein bisschen davon kann, nichts halbes und nichts ganzes, aber sich anscheinend als überaus wichtig zu fühlen scheint.
Aber wenn ich genau das bin? Von allem ein bisschen, das am Ende zu etwas Großem wird, bin ich dann schlechter als die, die eine Sache zu etwas ganz Großem werden lassen? So diene ich niemandem. Nicht mir und nicht dieser Welt. Ich diene nur diesem Band, dass mir die Hände vor die Augen hält, damit ich die wahre Schönheit diese Lebens nicht erkenne. Es macht mich blind für Emotionen, die Glück bedeuten, Zufriedenheit und Erfolg und keine Kraft in mir scheint stärker als der Raum der Sicherheit zwischen mir und diesem Leben, die mich in die Freiheit katapultiert, in meine wahre Größe, in meine wahre Sinnhaftigkeit. Ich habe gar nichts davon, außer ständig Kopf- und Gliederschmerzen, schlaflose Nächte und Sehnsucht nach Dingen oder Menschen, die mir nicht gut tun, mir aber suggerieren, doch irgendwie am Leben zu sein, wenn schon nicht voll und ganz, dann wenigstens ein wenig, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen. Leben ja, aber natürlich bitte unsichtbar, leise und zurückhaltend. Für vorlaute Kinder hat man auf diesem Planeten nichts übrig. Sie sind Kraftraubend und reine Energiefresser. Wie können sonst andere bei dem Lärm in Ruhe ihr großes, besonderes Potenzial entfalten? Die, die eben besser sind als der Rest. Die sich dadurch auszeichnen, dass sie immer wissen, was sie wollen, die nie den roten Faden ihres Lebens aus den Augen verlieren, die ein Vorbild an Disziplin und Fleiß sind. Ob ich darauf eifersüchtig bin? Ja, trotzdem möchte ich kein Fachidiot sein. Ich möchte alles, was geht, in mir aufsaugen. Wie ein wissbegieriges Fredchen, aufnehmen, davon ausleben, was gerade passt, es wieder in eine Schublade packen und bei Gebrauch, zack, halte ich wieder neue Möglichkeiten in meinen Händen.
Was könnte jemals umsonst gelernt werden, wenn mich Wissen immer nur größer und wertvoller für diese Welt machen kann? Wie könnte es eine dumme Sünde sein, wenn man sich durch Lernen auch jederzeit dazu entscheiden kann, Wissen abzulehnen, weil es ursprunglich wichtiger erschien als es heute tatsächlich ist. Wissen schadet nicht, tötet nicht, verlässt einen nicht, wie könnte es dann schlecht sein, sich in seinem Leben dem ständigen Lernen zu verschreiben? Weil es anderen nicht passt? Ihnen Angst macht, minderwertiger zu sein oder ihren eigenen Standpunkt nicht aufrecht erhalten zu können, der für sie lautet: Schuster bleib bei deinen Leisten! Schau nicht so viel nach rechts oder links. Groß träumen wozu, bleib schön auf dem Boden der Tatsachen, Hochmut kommt vor dem Fall. Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Jeder ist seines Glückes Schmied, also mach was aus deinem Leben. Ja, würde ich tun, wenn ich mir nur selbst erlauben würde, diesen unfreien und zensierenden Klischees unserer Gesllschaft das Werkzeug aus den hemmenden Händen zu reißen und zu meinen Fähigkeiten und geistiger Offenheit zu stehen und das schönste Glück zu schmieden, dass mir möglich ist.
Doch, da ist ja noch dieses Band. Es heißt übrigens Ego. Nun endlich weiß ich, dass ich mich ihm untertan gemacht habe, ihm gedient habe, ohne zu wissen, dass ich mich damit selbst zerstöre. Sich selbst nicht dafür anzuerkennen, was man ist, ist wie jeden Tag einen kleinen Tod sterben. Bis irgendwann nichts mehr von einem übrig ist, alles zu Asche zerfallen ist, ungelebt und vielleicht sogar auch ungeliebt, weil es nie möglich war, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Das straffe Band unseres Egos hat jeden anvisierten Schritt aus unserer sicheren Komfortzone erfolgreich vereitelt. Sei zufrieden, mit dem, was du hast, wer weiß, ob auf der anderen Seite das Gras wirklich so viel grüner ist. Übe dich in Bescheidenheit, denn dann ist dir Gottes Gnade und die all der Kleingeister um dich herum auf jeden Fall sicher. Denke niemals groß neben Menschen, die zur Ego-Stasi gehören. Sie werden dich mit Worten treten, dich verurteilen, dir jeglichen Verstand absprechen, deine Träume zerstören, deinen Lebensmut, deine Visionen. Und das alles nur, weil du in kein übliches gesellschaftliches Format hineinpasst. Du bist in Wahrheit zu groß und mächtig für so einen kleinen Rahmen, in den sich andere sicherheitshungrig auf allen erdenklichen Wegen hineinquetschen. Diese Menschen hinterfragen weder die Geschichte der Vergangenheit noch aktualisieren sie ihre veralteten Glaubenssätze und verpesten lieber die Gegenwart und auch die Zukunft weiterhin mit offensichtlichen und ständig spürbaren Misserfolgen der Vergangenheit.
Sich dafür zu entscheiden multimodal zu sein, ist immer ein Geschenk für diese Welt. Du bist ein Geschenk für dich selbst, wenn du dir erlaubst, alles zu sein, was du möchtest, uneingeschränkt und authentisch. Manche sind halt anders. Sie wissen von dem grüneren Gras auf der anderen Seite ihres Lebens und lassen sich durch nichts und niemanden mehr aufhalten. Und schon mal gar nicht von einem im Kollektiv abgenutzten Schubladendenken.
Ich bewege mich auf meinen Tellerrand zu, das Band strafft sich bedrohlich fest um meinen Körper. Meine Muskulatur arbeitet unter Hochspannung, die Atmung ist so schwer wie noch nie. Aber mein Herz und all meine Sinnesorgane sind offen und bieten meinem inneren Widerstand tapfer die Stirn, die schweißgetränkt in meine Zukunft zeigt. Noch ein kleiner Schritt, das Band zerreißt, flitscht mir von hinten in die Beine, es schmerzt, es brennt, ich unterdrücke einen tiefen Aufschrei. Und auf einmal spüre ich sie, die Leichtigkeit, die Freiheit, die offene Tür zu meinem wahren Ich. Ein kurzer Schmerz für einen unnötig langen Leidensweg. Hätte ich das doch so viel früher gewusst!
Warte nicht länger, gehe deinen Weg und genieße den Duft der inneren Freiheit.
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