In meinem letzten Beitrag ging es darum, dass wir den Großteil unserer Gefühle, positive wie negative, die meiste Zeit unreflektiert von anderen Menschen abhängig machen. Stellt sich doch die Frage, was genau veranlasst uns dazu, uns selbst an diese erniedrigende Abhängigkeit auszuliefern.
Warum suchen wir so gerne unser Glück und unsere Sicherheit bei anderen Menschen? Ermöglicht es uns auf diesem Weg, ohne Selbstschaden durch Eigenverantwortung an irgendein Ziel zu kommen, von dem wir vielleicht noch nicht einmal wissen, wo genau dieses liegt? Warum tun wir das? Warum entmachten wir uns selbst derart? Warum reicht das Interesse an unserem eigenen Leben nicht aus, legen lieber jegliches Augenmerk auf das Leben unserer nächsten zum Beispiel auch auf unseren Partner? Wir legen ihm oder anderen gefühlt über gestellten Personen in unserem Leben scheinbar meinungslos die Fäden in die Hände und bewegen uns wie Marionetten durch unsere Lebensjahre. Wir tun, was andere von uns erwarten oder folgen bereitwillig gut gemeinten Ratschlägen von außen. Wir hören auf die Meinungen anderer, die nicht wir sind. Die nicht unsere Gedanken haben, Gefühle, Ideen oder Sehnsüchte. Vielleicht auch schon mal gar nicht den gleichen Seelenplan. Wir hinterfragen nichts, nehmen einfach an, andere werden schon wissen, was gut und richtig für uns ist, wie ein gutes Leben so zu laufen hat. Wir gehorchen und funktionieren, bis wir eines Tages erwachen, weil wir unzufrieden, schlimmstenfalls unglücklich, sind.
Auf einmal, und oftmals gibt es nicht mal einen offensichtlichen Grund dafür, spüren wir , dass wir uns weder sicher noch geborgen in unserem, durch andere schön gestaltetes, Leben, fühlen. Wir fühlen uns nicht angekommen, nicht entfaltet, sondern einfach nur noch eingepfercht und nicht erkannt. Wir selbst kennen uns ein Leben lang, wissen aber nicht, was uns wirklich gut tut. Kennen nicht einmal einen Zugang zu unseren tiefsten Bedürfnissen.
Kurz und gerade abgenabelt von den Eltern, werden wir weitergereicht an unseren ersten Partner eventuell zukünftigen Mann, an dessen Rockzipfel wir uns dann auch gleich wieder gedankenlos hängen. Und bis er das ganze Drama erkennt, sind vielleicht schon ein, zwei, drei oder mehr Kinder hinzugekommen. Natürlich wird er es damals als absolut passend empfunden haben, dass er die Familie führt, den Ton angibt, alle nötigen Weichen stellt und entscheidet, in was er gerne sein mühevoll verdientes Geld investieren möchte. Weil Mann das eben immer so gemacht hat. Wie großzügig ist doch sein Taschengeld für die Frau. Und ehe sich beide Partner versehen, rutschen beide in eine sich gegenseitig zerstörende Koabhängigkeit hinein. Die Frau spürt, an ihm hängt ihr ganzes Leben, sie verdient deutlich weniger Geld, dafür darf sie sich gegen geringe Wertschätzung um ihre Kinder kümmern und verliert von Jahr zu Jahr mehr an Selbstwert, wenn es dieser überhaupt vor der Beziehung/Ehe in ein annehmbares Endprodukt geschafft hat. Und der Mann taucht komplett ab in seiner Rolle als Versorger, lernt aber, im Gegensatz dazu, nur in seltenen Fällen, sich selbst zu versorgen, geschweige denn sich ebenso heimisch und vertraut in der Vaterrolle zu fühlen. Die Frau fügt sich, soll sich führen lassen, begleitet den Mann, wohin auch immer er zum Beispiel ziehen möchte. Und es geschieht genau so, weil dir auch jeder sagt, wenn du Mutter sein möchtest, brauchst du schon einen fleißigen Mann, der dich und die Kinder versorgt. Und eine gute Frau hält ihrem Mann auch immer den Rücken frei. Wunderschöner negativer Glaubenssatz, bitte gleich einmal ab in die Reparatur bringen. Nein, dazu kommt es natürlich vorerst noch nicht.
Dafür wird sie maulig, entwickelt sich in seinen Augen immer mehr zur Nörgeltante. Er verliert zwangsläufig, weil ja nicht vernünftig über beiderseitige Bedürfnisse geredet wird, allen Respekt vor dem depressiv verstimmten, erwachsenen Kind an seinem Hosenbein. Und auf einmal – Überraschung! - ist er mit der gesamten Verantwortung überfordert und verweigert sich dann, manchmal auf ganzer Linie. Wo man sich noch vor ein paar Jahren darauf einigte, gemeinsam Verantwortung für das Familienleben zu übernehmen, was in der Regel immer ein stilles Gesetz zwischen den Elternteilen sein sollte, entwickelt sich zunehmend eine klebrige, abhängige Verantwortung zwischen beiden.
Denn diese Partnerin kontert unbewusst und zieht ihn in eine andere Art von Abhängigkeit. Sie reißt alles an sich, wo sie sich aufgrund ihrer Rolle als Frau überlegener fühlt. Ha, endlich mal, hat sie die Hosen an. Warum sollte sie ihm zeigen, wie man kocht? Oder die Wäsche vorsortiert und mit der richtigen Gradzahl wäscht. Betten beziehen? Das dauert ewig bei ihm, da schläft sie ja beim Zugucken ein. Wir reißen diese wenigen verbleibenden Möglichkeiten an uns, regen uns lieber über seine lächerliche Unfähigkeit auf, als den Partner an unserer Seite zu unserer eigenen Entlastung teamfähiger und damit aber auch größer zu machen. Und das ist genau der Punkt! Macht Frau ihren Mann größer durch Unterstützung und Einführung in ihre Lebensrolle, scheint es ihr, als verliere sie immer mehr an Größe und Wichtigkeit. Wozu wird sie dann noch in diesem Leben gebraucht, wenn sie zulässt, dass ihr Partner ihr somit das letzte bisschen an Butter vom Brot nimmt? Und wieder tut es sich auf, das riesengroße, tiefe, dunkle Loch des Minderwertigkeitsgefühls. Was du neben dir kleinhälst, so glaubst du, wird deiner Größe und Macht das Überleben sichern. Wird dich so schnell nicht unterbuttern, niedertrampeln. Doch du kennst sicherlich die Wahrheit, die dahinter steht. Wer so handeln muss, hat weder irgendeine Größe oder Macht, sondern einfach nur Angst, nichts wert zu sein, nicht gut genug oder wichtig. Und obwohl dú genau diese Verhaltensmuster bereits aus deiner Kindheit kennst, von Papa oder Mama oder vielleicht sogar von einem älteren Geschwister, die dir täglich beigebracht haben, dich klein und unbedeutend zu fühlen, möchtest du auf genau den selben Zug aufspringen, der, sieh dich nur mal ehrlich in deinem Leben um, ins absolute Nichts führt und mit wahrer Größe rein gar nichts mehr zu tun hat?
Ganz ehrlich, das passt doch nicht mehr in die moderne Zeit von heute. Viele Frauen leben noch immer mit Uralt-Glaubenssätzen die 50 Jahre und älter sind. Wollen aber Gleichberechtigung plus, für das, was sie leisten, und voll und ganz gewertschätzt werden. Und das passiert nicht wirklich oder gelingt nur recht wenigen, trotz teilbarer Elternzeit. Dass das alles nicht wirklich funktioniert, müsste doch den meisten Frauen allmählich mal dämmern. Und was machen die Männer, manchmal aus der totalen Verwirrung und Überforderung heraus? Sie lassen ihre Frauen ungebremst, teilnahmslos und desinteressiert ihren Kram machen, denn niemand möchte sich von einem anderen Menschen sagen lassen, dass er nicht gut genug für eine bestimmte Aufgabe ist. Du ja auch nicht, aber wer schweigt, löst nicht das bestehende Problem, er konserviert es in jeder Zelle seines Körpers. Vielleicht bis zum letzten Tag seines Lebens. Nimm es mir nicht übel, aber das ist selbst gemachtes Leid.
Sieh einmal auf dich selbst. Wie verhältst du dich in deiner Beziehung oder Ehe? Wie weit bist du noch entfernt vom Hier und Jetzt? In der aktuellen modernen Welt? Wir dürfen uns auch als Frauen selbst lieben, aber tust du das auch bedingungslos? Fühlst du dich mit dir selbst an deiner Seite sicher und geborgen? Und wieder kommen wir zu dieser einen besonders elementaren Frage: Siehst du dich als wichtigste Person in deinem Leben oder wer kommt noch alles vor dir, bis das Scheinwerferlicht auf dich fällt? Genau an dieser Stelle haben wir uns schon in einem vorangegangenen Beitrag eingefunden und diese Frage wahrscheinlich nur zähneknirschend beantworten können.
Aber erinnere dich, was passiert, wenn du beginnst dich selbst als wichtig und wertvoll zu erachten? Genau, wenn es dir gut geht, geht es auch deinen Liebsten in deinem gesamten Umfeld gut. Wenn du dich wertschätzt bekommst du es auch im Außen gespiegelt und somit postwendend zurück. Du wirst respektiert und angenommen, so wie du bist, weil du dich selbst liebevoll annimmst, so wie du bist.
Ich empfehle dir von ganzem Herzen, mache dich auf den Weg dorthin, dich in diesem Licht zu präsentieren. Keine Frage, alles hat seine Zeit und gut Ding braucht Weile. Nur warte nicht länger, hoffe nicht länger darauf, dass andere dir dein Leben schön machen. Die meisten haben mit sich selbst genug zu tun. Du ja eigentlich auch.
Niemand wird dich deswegen verlassen oder verurteilen. Vielleicht irritiert sie dein unbekanntes Verhalten und diese Menschen verstehen nicht so ganz, wo die Reise hingehen soll. Aber am Ende wird sich durch deine Entwicklung Chaos zur geordneten Ruhe verwandeln, die beiden Partnern wieder Luft zum Atmen gibt.
Diesen Weg zu gehen bedeutet nicht, dass du ab heute wie ein Egomonster durch die Welt stapfen sollst, alles in Schutt und Asche hinterlässt und nur noch auf eigene Faust etwas unternehmen sollst. Du sollst dich einfach nur mutig auf dich selbst zubewegen, deine Bedürfnisse und Wünsche ernst nehmen und dich in deinem eigenen Mikrokosmos vollkommen, ganz und richtig fühlen.
Fang bitte noch heute damit an, dich als wichtigste Person in deinem Leben zu sehen, ohne dich dabei schlecht oder egoistisch zu fühlen. Spüre gerne in diesen inneren Widerstand hinein, das wird ihn auflösbar machen, all diese verunsichernden Gefühle dürfen genau da sein, wo sie gerade sind. Nimm sie an, dann haben sie ihren Auftrag erfüllt und dürfen gehen. Schätze dich selbst jeden Tag ein wenig mehr für das, was du leistest, für deine Kinder, deinen Partner und deinen Job oder die vielen Aufgaben Haus und Hof betreffend.
Stell dir noch einmal abschließend vor: Mut und Stärke verwurzeln dich mit jedem Tag immer feinmaschiger mit Mutter Erde, mit deiner höheren Quelle, deinem Urvertrauen und bedingungsloser Liebe für dich selbst und für dieses Leben. Und es wird für dich leichter und schöner in allen Bereichen deines Lebens, jeden Tag ein bisschen mehr. Du bist der einzige Motor, den es dafür braucht.
In diesem Sinne wünsche ich dir heute einen tollen neuen ersten Tag vom neuen Abschnitt deines Lebens. Und denk dran, im Rückblick verstehst du zwar das Leben, aber vorwärts wird gelebt.
Fühle dich lieb umarmt.
Deine Andrea
Life-in-balance-Coaching – Andrea Kiesel – www.mindbase-koerperkraftwerk.de